Historischer Grabstein des Peter Pfennig saniert
" Verehrte Frau Bürgermeisterin Thea Kohlroß und Vertreter des Gemeinderates,
verehrte Herren Pfarrer Hammer und Hyn,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
mit der Rettung und Sanierung dieses alten Grabsteines des Peter Pfennig haben wir ein Stück Geschichte unseres Dorfes wieder aus dem Vergessenen hervorgeholt. Ich finde, diese Kulturarbeit ist in einer Gemeinde sehr wichtig; sie zeigt Ursprünge, Zeitgeschichten und Herkunft auf. Sie gehört zum Begriff „Heimat", bringt Menschen zusammen und dieses Wissen macht das Leben auch irgendwie lebenswert.
Somit danke ich meinem Freund Rudi Kempf ganz besonders, dass er diesen Auftrag angestoßen hat und auch seinen Helfern, die so vortrefflich dieses Grabmal auf den heutigen Standort gebracht haben, sowie der Fa. Geisendörfer in Würzburg für die gute Steinsanierung.
Eine solche Maßnahme kostet eben auch etwas und somit begrüße ich mit einem ebenso herzlichen Dankeschön die Vertreter der Sparkassenstiftung MainFranken und der Volksbank Kreuzwertheim. Denn von den Banken kam der Hauptanteil der notwendigen finanziellen Aufwendungen; aber auch einige Spender aus dem hiesigen Umfeld gilt mein Dank. Auch das Archäologische Spessartprojekt hat mitgeholfen und der anwesende Vertreter, Dr. Gerrit Himmelsbach aus Aschaffenburg, möchte ich herzlich begrüßen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Grabstein des Peter Pfennig, geb. 19. Sept. 1778 auf dem Kirchelhof, gest. 25.März 1839 in Schollbrunn
Peter Pfennig war von 1805 bis zu seinem Tode 1839 Bürgermeister hier in Schollbrunn; er starb mit 62 Jahren am Steckflusse- d. h. am Schlaganfall.
Sein Grabstein ist der letzte, der hier auf dem Kirchhof, dem alten Friedhof, noch vorhanden ist. Wir haben ihn gerettet; die Grabsteininschrift war kaum noch zu entziffern. Bereits 1856 wurde der Dorffriedhof an den Dorfrand, seinen heutigen Standort verlegt.
Damals stand noch die alte Wehrkirche ,über 700 Jahre alt, dem hl. Aegidius geweiht, im Besitze der Gemeinde, nebst einer Uhr mit Schlagwerk und drei Glocken. Seit 1638 wurde die alte Kirche von beiden Konfessionen als Simultankirche genutzt, im Jahre 1896 abgerissen und durch einen Neubau der evangelischen Gemeinde ersetzt.
Der Text auf dem Grabstein:
Peter Pfennig - Gemeindepfleger und Ortsvorsteher dahier
geb. im Kirchelhof am 19. September 1778
gest. den 25. März 1839
er war verehelicht mit Margaretha »Barbara, geb. Müller, mit welche er 12 Kinder zeugte, wovon ihn aber nur eine Tochter, Margaretha, Barbara Überlebte. Rückseite: Liebe und Dankbarkeit errichten dem theuren Gatten und Vater dieses Denkmal.
Zunächst werden seine Lebensdaten und eine traurige Familiengeschichte aufgeführt: von seinen 12 Kindern starben bereits 11 zu seiner Lebzeit. Auf der Rückseite hat sein Eheweib -wie man früher sagte- Margaretha ihre Gefühle über diesen herben Verlust des theuren Gatten und Vater ausgedrückt: Liebe und Dankbarkeit.
Der Geburtort Kirchelhof war der Klosterhof der Kartause Grünau, das mit dem Schaf hof zwei Versorgungsgüter um Schollbrunn besaß. Rinder- und Pferdezucht zusammen mit Walnüssen waren die Landnutzung, während der Schaf hof mit Wolle die vielen hauseigenen Webstühle versorgte. Als Peter Pfennig, er unterschrieb immer mit Pfenning, mit 27 Jahren 1805 Bürgermeister wurde, war ganz Europa in Aufruhr.
Anhand der Gemeinderechnungen von 1805 bis 1840, die hier im Rathaus liegen, habe ich nun versucht, die Gemeindeentwicklung nachzuzeichnen. Mit der Französischen Revolution und den Schlagworten: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit begann eine nicht mehr zu stoppende politische Bewegung. Das alte Reich, das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen wurde durch die napoleonischen Kriege weggefegt; bald war die Grenze der Rhein und mit dem Rheinbund koalierten auch Baden, Bayern und Württemberg mit dem Franzosen, Napoleon war auf dem Weg mit dem Ziel Kaiser von Europa zu werden.
Die Trennung von kirchlicher und staatlicher Macht wurde mit der Auflösung der Klöster und der Fürstbistümer durchgesetzt; mit dem enteigneten Kirchenbesitz wurden die Fürsten entschädigt für ihre Besitzverluste westlich des Rheines. So wurden auch hier mit der Säkularisation die Klöster Grünau und Triefenstein aufgelöst und an den Grafen von Löwenstein- Wertheim- Freudenberg übereignet. Als Bayern im Jahre 1806 durch Napoleons Gnaden ein Königreich wurde, waren wir hier im Spessart zunächst noch nicht dabei.
Der Spessart, zuvor Besitz der Mainzer Fürstbischöfe, wurde dem Großherzogtum Frankfurt zugeordnet und mit Karl-Theodor von Dalberg, dem Fürstprimas, einen den Zielen Napoleons zugetaner Herrscher. Mit Napolens Einfluss sollten moderne Musterstaaten entstehen: Sein Gesetzbuch code cevil (Napoleon) regelte das Leben von freien Bürgern, die sich individuell entwickeln sollten, frei von der bisherigen Leibeigenschaft, Frondiensten und den diversen Abgaben an den bisherigen Standesherren.
Bürgermeister Pfennig, hieß jetzt Maire und er hatte sicher das neue Gesetz auch kräftig studiert; er war ein begeisterter Anhänger dieser neuen Freiheit geworden. Die Gemeinde musste sich jetzt selbst organisieren, die Gemeindeführung mit Ortsvorsteher und seinen Räten wurden gewählt. Selbstverwaltung bedeutet aber auch die Finanzen, Ausgaben und Einnahmen abzuwägen.
Die Äcker klein, die Ernten bescheiden und die Bevölkerung wuchs und das im ärmlichsten sozialen Umfeld. Dazu kamen noch die Kriegstruppen mit Einquartierungen »Versorgung der Soldaten und der Pferde. Die Kriegskosten verschlangen gut ein Drittel des Gemeindehaushaltes; man machte Schulden; Geld wurde bei Wertheimer Kauf leuten und Apothekern geliehen und auch wieder vertragsgemäß zurückgezahlt. Neue Krankheiten wurden eingeschleppt: Nervenfieber, Pocken, asiatische Cholera, Scharlach und Grippe.
Die Gemeinde nahm das in die Hand, man kaufte Impfseren und die Bevölkerung wurde durchgeimpft. Aber auch damals gab es bereits Impfgegner und die Pocken haben so manches schöne junge Gesicht lebenslang verunstaltet. Die alten Standesherren, die Löwensteiner, forderten aber immer noch alte Tribute ein:
Der Gemeindewald und der mit dem Grafen von Löwenstein Gemeinschaftliche Wald brachten gute Einnahmen und mit dem Verkauf von Holländer Holz konnten 45 % der Gemeindeausgaben gedeckelt werden.
Napoleons Weg führte über das besiegte Preussen bis vor die Tore Moskaus; der Winter kam und die Vorräte gingen aus. Die Völkerschlacht bei Leibzig und endgültig die finale Schlacht bei Waterloo brachte durch Blücher das Ende seiner Kaiserziele; sein Schicksal endete in St. Helena. Im Wiener Kongress wurde die europäische Landkarte neu geordnet und aus dem deutschen „Fleckerlteppich" entstanden überschaubare Länder. Der Sieg über Napoleon und Frankreich, der Einzug in Paris, erregte auch in Schollbrunn Feststimmung: die Kinder mit Wurst und Weck, die Männer mit einem Preis- und Salutschießen; Landsturmhauptmann Stepper, der hier als Geometer tätig war, mußte zwei Pfund Pulver über die Gemeinde abrechnen.
Auch das Großherzogtum Aschaffenburg und Frankfurt brauchte man nicht mehr; die fränkischen Länder kamen 1814 an das Königreich Bayern. Bürgermeister Pfennig legte seinen Maire wieder ab, er war wieder Bürgermeister und er hatte sich mit den neuen Gesetzen sehr beschäftigt; und als Bayerns Minister Montgelas im Jahre 1818 die erste vom König erlassene Verfassung mit garantierten Grundrechten erläßt, wird aus dem Franzosenfreund ein Patriot des Bayernkönigs Max I. Josef, der es ebenso verstand, als neuer Landesvater von seinen Untertanen anerkannt zu werden.
Patriot Pfennig schreibt in die Gemeindechronik: denkwürdige Jahre; der edle Monarch Max I. Josef hat das dauerhafte Glück seiner Untertanen gegründet 1819 mussten alle wählbaren Männer an das Amt Triefenstein und „Treue der Bayer. Verfassung und dem König schwören".
Die alten Standesherren, die inzwischen gefürsteten Grafen zu Löwenstein forderten aber immer noch alte Tribute ein: Abgaben und Frondienste. Zweimal mußte Pfennig nach München, um am Apellationsgericht das neue Recht für seine Gemeinde zu erstreiten. Die Reise dauerte jeweils 12 Tage.
1816 zogen dunkle Wolken auf, auch Regenwolken; aber der Vulkan Tambora auf der anderen Weltseite in Indonesien war explodiert und seine Aschewolke verdunkelte weltweit die Sonne. Zwei Jahre ohne Sommer, so kamen Hungersnot und Seuchen. Das Korn wurde 4mal so teuer; Peter Pfennig fand die Lösung: das Geld aus einem gerade abgeschlossenen Holzverkauf aus dem gemeinschaftlichen Wald „Wiesberg" mit 2.214 fl. wurde zum Kornankauf verwendet.
Mit 32 Malter Korn und 9 Malter Gerste die an die Bevölkerung verteilt wurden, war das Überleben zunächst gesichert. Not schweißt auch zusammen; was aber in einem gemischtkonfessionellen Dorf nicht einfach war.
Die landwirtschaftlichen Flächen waren in Schollbrunn für die gewachsene Bevölkerung zu klein geworden. Pfennig und seine Beigeordneten ließen Wald roden und in Felder umwandeln. Zunächst das Birkig und den Hainbuchenschlag und 1836 auch Brand- und Sohlhecke. Geometer Stepper mußte die Flächen vermessen und Lagerbücher anfertigen, bevor sie an Gemeindebürger weiter gegeben wurden. So wurden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch etwa 90 Hektar in Felder und Wiesen umgewandelt und somit konnte auch die Auswanderungswelle nach Amerika zurück gedrängt werden.
1826 wurden Pläne für ein Gemeindeschulhaus vorgestellt, das auch bis 1830 realisiert werden konnte. Jetzt war der Unterricht nicht mehr im Hause der Lehrer, sondern im neuen Schulhaus, dem heutigen Rathaus.
Erst Wasser ermöglicht Leben; unser Dorf auf der Höhe war mit Trinkwasser nicht gesegnet; in Trockenzeiten brachten die sieben Dorfbrunnen so wenig, dass nur eimerweise eine Abgabe möglich war; so wurde der Erlenbrunn, an der Grenze zum bayer. Spessart als letzte Reserve gesichert.
Die alten Wege auf die Höhe nach Schollbrunn hatten die bezeichnenden Namen „Schindergaul und Kniebreche"; mit viel Energie ließ sich das auch eleganter umsetzen. So entstanden zwischen 1830 und 1835 die Straßen nach Hasloch und nach Rohrbrunn und somit an die Handelswege. Zuvor musste man sich sogar beim Bau der Straße Kreuzwertheim-Hasloch beteiligen.
Die Spessarter Forstrechte waren für die Ortsbürger überlebensnotwendig: als Holz- und Nahrungslieferant; Hornvieh und Schweine durften in vorgegebenen Zeiten zur Weide und Eichelmast eingetrieben werden. Laubstreu war für die Einstreu und die anschließende Felddüngung das Einzige. So wurden jährlich mind. 1000 Fuhren Laubstreu gewonnen; doch so langsam versauerte der Wald. Bucheckern waren wertvolle Quelllieferanten.
Mit moderner Technik kam die aufkeimende Industrie auch unserer Heimat näher; Motoren, Eisenbahn und auch das Fahrrad. Hier bot der Eisenhammer in Hasloch für einige bereits einen regelmäßigen Verdienst, aber die Nahrung musste man immer noch erst auf dem Acker schwer erarbeiten.
Und wieder rumorte es im Volk; die Pfalz gehörte bis 1815 zur franz. Republik und der Code cevil-Napoleon- gewährte bereits weitergehende Bürgerrechte, die das Königreich Bayern mit Ludwig I.wieder zurückgenommen hatte.
Am 27. Mai 1832 zogen über 20.000 Personen zur Großdemonstration auf das Hambacher Schloss und forderten die deutsche Einheit, Versammlungsfreiheit und eine unzensierte Presse. Hier zog nicht der Mob als randalierender Haufen auf, sondern alle Stände waren vertreten. Erstmal zeigte man als Symbol die schwarz-rot-goldene Fahne und das Hambacher Fest ging auch unblutig aus. Irgendwie ist dieses bedeutende Demokratieereignis nicht bis hier her vorgedrungen, denn der freiheitsliebende Peter Pfenning hat in seiner Chronik keine entspr. Eintragungen festgehalten.
Nachdem im Königreich Bayern die Brandversicherung eingeführt war und man die bisherigen Strohdächer verbot, wurden im Dorf gleich 28 alte Häuser abgerissen und durch Neubauten ersetzt.
Für Peter Pfennig endet am 25.März 1839 plötzlich und sicher unerwartet seine reiche Lebensbahn; sein aufregendes Leben war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Zu seiner Beerdigung war das ganze Dorf auf den Beinen; eine überaus große Trauergemeinde nahm dankbar Abschied von ihrem Ortsvorsteher und würdigte seinen besonderen Einsatz für das Dorf und seine Bürger -
Und das Ganze geschah genau hier, wo wir jetzt auch stehen. "